Infekt-Liga

Cholangitis/Cholezystitis


Inzidenz

Infektionen der Gallenwege (Cholangitis) und der Gallenblase (Cholezystitis) sind meist die Folge eines Gallensteinleidens, in selteneren Fällen kommt iatrogene Ursachen im Rahmen einer chirurgischen Intervention, Tumoren oder benigne Strikturen sowie akute postoperative oder posttraumatische Cholezystiden bei Steinfreiheit in Frage.
Die Prävalenz von Gallensteinen ist hoch. Sie liegt bei 15 bis 30 % in den westlichen Industriestaaten. Für die USA schätzt man, dass 20 Millionen Menschen Gallensteine haben. Am häufigsten sind Cholesterolsteine, gefolgt von Pigmentsteinen (ca. 30 %). Das Vorkommen ist abhängig vom Geschlecht (Frauen > Männer), Alter, Gravidität, genetischer Disposition, parenteraler Ernährung und Fettsucht. Bei Frauen steigt das Risiko einer Gallensteinbildung bei Gewichtsverlust.
Gallenwegssteine findet man bei 8 bis 16 % der Patienten mit Gallenblasensteinen. Meist handelt es sich um Cholesterol-Steine, die aus der Gallenblase abgewandert sind. Darüber hinaus sind auch primäre Gallenwegssteine bekannt, die nach einer mehr als 2 Jahre zurückliegenden Cholezystektomie auftreten können. In der Regel handelt es sich hierbei um Calciumbilirubinat-Steine, deren Entstehung mit dem Vorkommen von Bakterien (Escherichia coli) assoziiert wird. Das initiale Steinwachstum beginnt mit einer Dekonjugation des wasserlöslichen Bilirubin-Digluconids durch bakterielle Enzyme und anschließender Fällung als Calciumsalz. Eine Prädisposition zu dieser Art von Steinbildung besteht bei gleichzeitigem Vorliegen posttraumatischer Stenosen, biliärer Anastomsoen, einer sklerosierenden Cholangitis oder der im asiatischen Raum häufig auftretenden Cholangiohepatitis.
Je nach Größe und Lage der Gallensteine können Erkrankungen asymptomatisch, symptomatisch, akut oder chronisch verlaufen. Ca. 75 % der Gallensteinträger haben keine Beschwerden, ca. 25 % der Patienten entwickeln mit oder ohne Vorliegen einer Infektion eine charakteristische Symptomatik (Tabelle 1) .
Die Häufigkeit gallensteinbedingter Infektionen ist bei asymptomatischen Erkrankungen gering (0,1 bis 0,2 %). Bei Erkrankungen mit Symptomatik können Komplikationen in Form von Cholangitiden oder Cholezystiden bei bis zu 2 % der Patienten auftreten. Nachfolgend sind Sepsis, Pankreatitis, Leberabszesse, Zirrhose möglich.
Bei Obstruktionen besteht wegen des Verlustes der antibakteriellen Aktivität der Galle eine erhöhte Prädisposition zu einer Cholangitis. Eine chronische Obstruktion führt zu einer verminderten Funktion der Neutrophilen, erhöhten Endotoxin-Konzentrationen und abnormaler Kupferzellfunktion.
Evidenzbasierte Empfehlungen zur Prophylaxe von Gallensteinen liegen nicht vor. Allgemein wird eine cholesterol-arme Kost, der Verzicht auf Alkohol und das Vermeiden eines erhöhten Körpergewichtes empfohlen

Diagnose

Die Diagnose orientiert sich zunächst an den klinischen Symptomen und der körperlichen Untersuchung. Zur weiterführenden Diagnostik sollten bildgebende Verfahren (vor allem Ultraschalluntersuchung, daneben ERC/ERCP, MRC/MRCP) und Laboruntersuchungen (CRP, CBC, Bilirubin gesamt, direkt, indirekt), Aspartat-Aminotransferase (AST), Alanin-Aminotransferase (ALT), alkalische Phosphatase (AP), Laktatdehydrogenase (LDH) herangezogen werden.
Eine pericholezystische Flüssigkeitsansammlung im US oder eine verdickte Gallenwand sind zusammen mit der klinischen Symptomatik Hinweise auf eine akute Cholezystitis.

Erreger

Im Normalfall ist die Galle steril. Eine Besiedelung mit Erregern erfolgt in der Regel durch eine Abflussbehinderung des Gallensekrets. Mit dem Grad der Abflussbehinderung nimmt die bakterielle Besiedlung in den Gallenwegen und die Gefahr einer Bakteriämie zu. Die Ursache er akuten Cholezystitis ist in der Regel ein mechanischer Zystikusverschluss durch einen Stein. Trotz hoher Besiedlung der Gallenblase mit Erregern ist eine phlegmonös eitrige Entzündung nur in 10 % der Fälle als Folge der bakteriellen Entzündung zu finden. Die histologische Untersuchung ergibt Zeichen des Wandödems bis hin zur phlegmonös eitrigen Entzündung und zur Nekrose der Gallenblasenwand. Besonders gefährdet scheinen Patienten mit einer bakteriellen Besiedlung mit Gasödem (Clostridien).

Ein Erregernachweis gelingt bei Verschluss durch Steine sehr häufig, wobei der Erregernachweis im OP-Präparat bei der akuten Cholezystitis (50 %) deutlich häufiger ist als bei chronischen Verlaufsform (15 %) und generell mit dem Alter des Patienten zunimmt.
Infektionen der Galle und der Gallenwege werden in der Regel durch die Darmflora verursacht, wobei vielfältige Infektionswege möglich sind
· Aufsteigend vom Duodenum über den Gallenweg bei inkompetentem Sphinkter Oddi – als Folge eines chirurgischen Eingriffs oder einer Papillotomie.
· Ausgehend vom Jejenum bei bilodigestiver Anastomose
· Durch Translokation vom Darm.

Es liegen zahlreiche mikrobiologische Untersuchungen zum Erregerspektrum einer Cholangitis oder Cholezystitis vor. Die Angaben zur prozentualen Häufigkeit verschiedener Erreger variieren in der Literatur erheblich, das Erregerspektrum ist jedoch in nahezu allen Untersuchungen über einen sehr langen Zeitraum sehr ähnlich.

Wesentliche Leitkeime sind
· Escherichia coli (23 bis 74 %),
· Klebsiella species (1 bis 39 %),
· Enterobacter species (4 bis 28 %),
· Staphylokokken (KNS 2 bis 33 %),
· Streptokokken (1 bis 33 %),
· Enterokokken (3 bis 18 %),
· Pseudomonaden (2 bis 10 %),
· Proteus vulgaris (3 bis 22 %),
· Anaerobier und
· nach interventionellen Eingriffen auch nosokomiale Erreger.
Häufig liegen Mischinfektionen vor.

Besondere Situationen können die Berücksichtigung seltener Erreger erfordern:
· Bei Patienten mit Stentimplantationen vor allem Enterokokken
· Bei HIV-Patienten Cytomegalovirus, Cryptosporidium, Campylobacter fetus, Klebsiella pneumonia und Candida albicans
· Bei lebertransplantierten Patienten Vancoymycin-resistente Enterokokken

Fallberichte über Gallenwegsinfektionen durch Aeromonas und Coxiellen liegen vor .
Bei einer Salmonellen-Enteritis kommt es fast immer zu einer Besiedelung der Gallenblase, die in seltenen Fällen eine Cholezystitis verursachen kann.
Präoperativ entnommene Stuhlproben können einen Hinweis auf das Vorhandensein multiresistenter Erreger und hilfreiche Hinweise bei der Antibiotika-Auswahl liefern.
Im Zusammenhang mit dem Vorkommen braun pigmentierter Gallensteine ist die Bildung eines Biofilms auf Bakterien (insbesondere Pseudomonaden) beschrieben, der die Resistenz gegenüber dem Antibiotikum triggern.


Therapie

Chirurgische Therapie der Gallenblase

Bei einer akuten Cholezystitis sollte eine sofortige Cholezystektomie nach kurzer Vorbereitung und Identifizierung möglicher internistischer Risiken erfolgen (aufgeschobene Dringlichkeit).
Die frühzeitige Entfernung der Gallenblase bei einer akuten Cholezystitis innerhalb von 24 (bis 96) Stunden ist technisch leichter und zeigt geringere postoperative Komplikationen im Vergleich zu einem späteren Eingriff nach konservativer „Vor“-Behandlung. Präoperativ sind die Patienten konservativ durch Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution sowie Antibiotika-Gabe zu versorgen, bei Zeichen eines septischen Krankheitsbildes oder einer bakteriellen Entzündung mit Leukozytose, CRP-Erhöhung, Fieber und schlechtem Allgemeinzustand. Kann der Patient nicht früh-elektiv innerhalb der ersten 1 bis 5 Tage operiert werden, sollte die Cholezystektomie erst nach 6 Wochen erfolgen. Bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko kann die perkutane Drainage eine vorübergehende Alternative zur Operation darstellen.
Die nichtoperative Behandlung von symptomatischen Gallenblasensteinen kann in einigen Fällen durchgeführt werden, ist aber mit einem hohen Rezidivrisiko assoziiert. Sie ist nach der vorliegenden Datenlage obsolet und sollte daher nur sehr seltenen Einzelfällen vorbehalten bleiben.

Die konservative Therapie bestand über lange Jahre hinweg in einer medikamentösen Litholyse mit Gallensäuren oder mechanischer Zertrümmerung durch Stoßwellentherapie. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Maßnahmen letztendlich ohne bleibenden Erfolg sind. Bei Verdacht auf bakterielle Entzündungen haben sie keinen Platz mehr in der heutigen Therapie und erhöhen das Risiko einer Infektionsausbreitung.

Die laparoskopische Cholezytektomie hat sich zum Gold-Standard in der Behandlung der chronischen und akuten Cholezystits unabhängig vom Alter des Patienten entwickelt. Morbidität und Letalität des offenen oder laparoskopischen Eingriffs sind vergleichbar. In großen Studien sind etwa. 7 % der Cholezystektomien technisch schwierig und sollten wenn möglich primär offen operiert werden. Im Vergleich laparoskopischer und offener Cholezystektomie zeigten sich Unterschiede in Bezug auf Operationsdauer, Schmerzintensität und Rekonvaleszenz, die insbesondere aus Sicht des Patienten eindeutige Vorteile bieten. Günstig ist die Verkürzung der Krankenhausverweildauer durch das laparoskopische Verfahren um > 2 Tage.
Bei Patienten mit biliärer Pankreatitis ist nach laparoskopischer Cholezystektomie die intra- und potsoperative Komplikationsrate nicht erhöht.
Die Konversionsrate zur offenen Cholezystektomie sinkt mit der Erfahrung des Chirurgen und dem Überschreiten eines Zeitfensters von 48 Stunden bis zur Intervention.
Die Laparoskopie ist bei auch Patienten mit einem BMI > 30 und bei Patienten > 80 Jahren sicher.

Die chirurgische Intervention bei symptomatischer Cholelithiasis während der Schwangerschaft ist der konservativen Behandlung überlegen. Letztere ist die durch eine verlängerte Krankenhausverweildauer, erhöhte Rückfallquote und vorzeitige Entbindungen gekennzeichnet. Die Indikation zur laparoskopischen Intervention sollte streng gestellt werden. Problematisch scheint die Verwendung von Kohlendioxid innerhalb des 1. Trimenons wegen einer potenziellen Schädigung des Feten, gegen Ende der Schwangerschaft kann die räumliche Enge Probleme bereiten.

Bei Patienten mit Gerinnungsstörungen, Perforationen der Gallenblase und Unkenntlichkeit der Strukturen durch vorangeschrittene Entzündungsreaktionen oder Verwachsungen kann die laparoskopische Cholezytektomie häufig aufgrund technischer Probleme nicht durchgeführt werden. In diesen Fällen sollte zur Laparotomie gewechselt werden. Das Vorliegen von Choledochussteinen ist keine Kontraindikation eines laparoskopischen Eingriffs. Hier sollten zuvor die Gallenwegssteine endoskopisch entfernt werden.

Die asymptomatische Cholezystolithiasis ist keine Indikation zur Therapie.
Bei Patienten mit einer Porzellangallenblase und/oder bei Vorliegen schnell wachsender bzw. größerer Gallenblasenpolypen und Gallenblasensteinen sollte jedoch eine Cholezystektomie vorgenommen werden.

Chirurgische Therapie der Gallenwege

Symptomatische und asymptomatische Gallenwegssteine sollten behandelt werden.
Bei obstruktiver Cholangitis muss eine chirurgische Sanierung der Gallenwege vorgenommen werden. Meist werden die Gallensteine endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP) mit Papillotomie entfernt, da dieses Verfahren einen signifikanten Vorteil gegenüber dem offenen Eingriff zeigt.
Steinhaltige Gallenblasen sollten dann ebenfalls entfernt werden. In der Regel erfolgt eine präoperative endoskopische Intervention zur Entfernung der Gallenwegssteine und eine anschließende laparoskopische Cholezystektomie (Senkung des Gesamtrisikos durch therapeutisches Splitting, besonders bei Risikofällen). Ohne nachfolgende Cholesystektomie kommt es häufig zu Rezidiven mit erhöhtem Risiko an Komplikationen und steigender Letalität. Allerdings ist auch ein ausschließlich laparoskopischer Eingriff mit Gallenwegsrevision und Gallenblasenentfernung inzwischen möglich, jedoch noch nicht als Standard etabliert.
Gelingt die endoskopischen Steintherapie nicht, droht der mechanische Verschluss des biliären Systems. Deshalb sind sofortige Drainagemaßnahmen in Form nasobiliäre Sonden, Stents oder Endoprothesen notwendig.
Die Entfernung einer steinfreien Gallenblase ergibt sich bei verschiedenen Problemstellungen, so bei der typhoiden steinfreien Cholezystitis oder der akuten emphysematösen Cholezystitis. Letztere ist insgesamt zwar selten, tritt jedoch gehäuft bei Nebenerkrankungen wie Diabetes (ca. 40 %) und bei Frauen in einem Lebensalter über 60 Jahren auf. Als Erreger wurden in diesen Fällen Gas-produzierende Bakterien wie Clostridium perfringens, aber auch Escherichia coli, Klebsiellen und Mischinfektionen gefunden.
Bei einer Cholezystitis nach Traumen, Verbrennungen oder großen Operation können Steine nur in maximal 15 % aller Fälle nachgewiesen werden. Eine bakterielle Ursache oder Mitbeteiligung an dem entzündlichen Prozess kann in der Regel präoperativ kaum festgestellt werden. Meist handelt es sich hierbei um eine nekrotisierende Cholezystitis aufgrund von Durchblutungsstörungen.
Eine Cholezystektomie der steinfreien Gallenblase ist in seltenen Fällen indiziert bei chronischer Cholezystitis mit Dauerausscheidung von Salmonellen und bakteriell bedingter Entzündung nach biliodigestiven Anastomosen, wenn die Gallenblase zunächst belassen wurde.

Empirische und gezielte Antibiotika-Therapie

Infektionen der Gallenwege werden neben der konservativen/chirurgischen Therapie antibiotisch behandelt, Infektionen der Gallenblase nach erfolgreicher Cholezystektomie nur bei Komplikationen oder in Form einer Kurzzeittherapie. Das primäre Ziel des Behandlungskonzeptes ist die Herdsanierung (Cholezystektomie) und die Dekompression der Gallenwege. Alle weiteren Maßnahmen, so auch die Antibiotika-Therapie, haben nur dann Erfolg, wenn ein Abfluss der Galle gewährleistet ist.
Die Auswahl geeigneter Substanzen erfolgt nach dem erwarteten Erregerspektrum bzw. nach dem Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik, pharmakokinetischen Aspekten (hier insbesondere die Gewebegängigkeit) und der Stabilität im alkalischen Millieu der Galle. Es eignen sich vorzugsweise schwache Säuren wie die Beta-Lactam-Antibiotika oder die Fluorchinolone.
Eine biliäre Exkretion des Antibiotikums ist von Vorteil, da so eine ausreichende Konzentration in der Galle und möglicherweise auch im Gewebe der Gallenwege und der Gallenblase gegeben ist. Hohe Antibiotika-Konzentrationen im Gallensekret korrelieren gut mit der Eradikationsrate empfindlicher Erreger. Gemessene Gewebsspiegel in Gallenwand und Gallenwegen beziehen sich dagegen in aller Regel auf Gewebshomogenisate und sind in ihrer Aussagekraft hinsichtlich eines Therapieerfolges daher deutlich eingeschränkt.
Die Datenlage mit gut angelegten klinischen Studien zur Antibiotika-Therapie bei Infektionen der Galle ist unzureichend und erlaubt oft keine Empfehlungen mit einem hohen Evidenzgrad. Vielfach handelt es sich um experimentelle Untersuchungen oder aber ältere Vergleichs-, Korrelations-, und Fall-Kontrollstudien, in denen Antibiotika teilweise in heute nicht mehr zeitgemäßen Dosierungen oder auch Kombinationen eingesetzt werden.
Berücksichtigt wurden nur Studien in deutscher oder englischer Sprache, möglichst neueren Datums. Zahlreiche Publikationen insbesondere aus dem asiatischen Raum konnten auf Grund der besonderen Situation nicht berücksichtigt werden.
Zur systemischen Therapie werden heute Beta-Lactam-Antibiotika/Beta-Lactamase-Hemmer (BLI) (Aminopenicilline/BLI, Acylaminpenicilline/BLI, Cephalosporine, Carbapeneme) und Fluorchinolone bevorzugt. Die früher eingesetzten Tetracycline werden wegen ihrer Unwirksamkeit im alkalischen Bereich nicht mehr verwendet. Eine lokale Antibiotika-Gabe in Form einer Lavage oder Instillation ist nicht sinnvoll.

Für folgende Substanzen liegen Untersuchungen zur Gallengängigkeit vor, aus der sich jedoch nicht zwangsläufig Empfehlungen zur Indikation bei Galleninfektionen ableiten können: Aminopenicilline, Acylaminopenicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Fluorchinolone, Aminoglykoside, Cotrimoxazol, Teicoplanin, Rifampicin, Lincosamine.

Aminopenicilline

Ampicillin wird nur in geringem Umfang biliär ausgeschieden. Es gibt Hinweise für einen Nutzen bei Infektionen der Gallenblase oder Gallenwege, oft in Kombination mit Antibiotika. Ampicillin besitzt eine ältere Zulassung in dieser Indikation und wird in der Praxis häufig eingesetzt, doch kann diese Substanzgruppe wegen eingeschränkter pharmakokinetischer Voraussetzungen und des Wirkspektrums nicht überzeugen. Denkbar ist eine gezielte Therapie in hoher Dosierung bei nachgewiesener Infektion durch empfindliche Enterokokken oder der Einsatz Inhibitor-geschützter Aminopenicilline, die auch in der oralen Form bei der Behandlung chronisch rezidivierender Cholangitiden ihren Stellenwert besitzen.

Aylaminopenicilline

Zur Gewebegängigkeit und klinischen Wirksamkeit von Mezlocillin und insbesondere von Piperacillin wurde eingehend untersucht. Die Elimination erfolgt zu einem hohen Anteil biliär, so dass zumindest in der Galle ausreichende Konzentration zu erwarten sind.
Auch die Kombination von Piperacillin/Tazobactam zeigt eine sehr gute Gewebegängigkeit und Exkretion in die Galle. In der Galle sind die Konzentrationen von Piperacillin jedoch höher als die des Beta-Lactamase-Inhibitors. Nach den vorliegenden Daten kann insgesamt von ausreichender Gewebepenetration, biliärer Exkretion und guter Wirksamkeit ausgegangen werden. Das Wirkspektrum von Piperacillin/Tazobactam schließt neben gramnegativen und grampositiven Erregern die Anaerobier, Pseudomonaden und Enterokokken ein.
Acylaminopenicille eignen sich daher gut für die Behandlung von Galleninfektionen in Form der gezielten oder empirischen Therapie. Die Zulassung der Monopräparate und der Kombination mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor erlaubt die Therapie intraabdominaler Infektionen.

Cephalosporine

Von den Cephalosporinen der Gruppe 1 wurde der parenterale Vertreter Cefazolin untersucht. Demnach scheint die Gallengängigkeit von Cefazolin ausreichend, wenn keine Obstruktion der Gallenwege vorliegt. Für eine Therapie bei empfindlichen Erregern liegt eine ältere Zulassung in dieser Indikation vor. Da die Substanz im Wesentlichen renal und nicht biliär ausgeschieden wird und das Spektrum nicht die Leitkeime der Galleninfektionen umfasst, kann Cefazolin nicht für die empirische Behandlung dieser Infektionen empfohlen werden.
Die Cephalosporine der Gruppe 3 (parenteral Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim, oral Cefixim) und 4 (Cefepim) werden mit Ausnahme von Ceftriaxon nur in geringem Umfang biliär eliminiert. Ihr Wirkspektrum zeigt Lücken im Bereich der Anaerobier und Enterokokken.
Ceftriaxon reichert sich in der Galle an, Fälle einer reversiblen Pseudolithiasis sind beschrieben.
Cefotaxim, Ceftazidim und Ceftriaxon besitzen die Zulassung zur Behandlung von Infektionen des Bauchraumes, Cefixim von Infektionen der Gallenwege, Cefepim von Infektionen der Gallenblase und der Gallenwege. Für Cefotaxim, Cefixim, Cefepim und Ceftriaxon konnten ausreichende Konzentrationen in der Galle bzw. Gallenblase nachgewiesen werden. Sie sind in den entsprechenden Fachinformationen der Hersteller dokumentiert oder durch experimentelle bzw klinische Daten belegt.

Die klinische Wirksamkeit dieser Cephalopsorine konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden.
So war in einer klinischen prospektiven Vergleichsstudie Ceftazidim einem Regime mit Cefamandol plus Tobramycin (2 x 80 mg) bei Gallenblasenempyem klinisch überlegen. In einer weiteren Studie konnte die klinische Äquivalenz der Therapieregime Ceftriaxon/Metronidazol und Levofloxacin/Metronidazol dargelegt werden. Die in vitro Resistenzsituation nachgewiesener Erreger zeigte Vorteile für das Fluorchinolon.
Die klinische Wirksamkeit von Cefepim wurde in einer älteren offenen prospektiven und randomisierten mulizentrischen Studie untersucht. Die Therapieregime Cefepim und Mezlocillin plus Gentamicin (3 x täglich 1,5 mg /kg KG) waren beim klinischen Erfolg einer mindestens 5 Tage dauernden Therapie vergleichbar.
Der Einsatz der Cephalosporine der Gruppen 3 und 4 kann in Kombination mit einer Anaerobier-wirksamen Substanz (z.B. Metronidazol) als Alternative zu den Acylaminopenicillinen in der empirischen Therapie der Infektionen der Galle in Betracht gezogen werden.

Carbapeneme

Carbapeneme (Imipenem, Meropneme, Ertapenem) werden vorzugsweise renal eliminiert, die biliäre Sekretion ist gering. Dennoch erreichen sie vermutlich ausreichende Gewebsspiegel, wie sie für Meropenem und Imipenem in Untersuchungen belegt werden konnten. Alle haben die Zulassung für die Behandlung von Infektionen des Bauchraumes. Ihr Spektrum ist breit und umfasst die Anaerobier, Pseudomonaden (Meropenem, Imipenem) und Enterococcus faecalis (Imipenem).
In einer kleineren prospektiven randomisierten Studie wurden die Vertreter der Gruppe 1 (Imipenem, Meropenem) in adäquater Dosierung gegeneinander geprüft. Hinsichtlich des Ergebnisses gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied.
Die Effektivität in der Behandlung intraabdominaler Infektionen des neueren Ertapenems wurde durch Vergleichsstudien mit Piperacillin/Tazobactam bzw. Cefotaxim in Kombination mit Metronidazol belegt.
Carbapeneme in Monotherapie können ähnlich den Cephalosporinen alternativ zu Acylaminopenicillinen in der empirischen Therapie empfohlen werden.

Fluorchinolone

Fluorchinolone eignen wegen ihrer sehr guten Gewebegängigkeit für die Behandlung von Infektionen der Galle und der Gallenwege. In selteneren Untersuchungen wurden auch die Konzentrationen in der Gallenblasenwand gemessen, so für Ofloxacin.
Levofloxacin und Ofloxacin werden ausschließlich renal eliminiert, Ciprofloxacin teilweise und Moxifloxacin überwiegend biliär. Levofloxacin zeigt nach oraler oder intervenöser Gabe eine gute Gewebegängigkeit in die Galleblase, die die MHK relevanter pathogener Erreger übersteigt.
Für Vertreter der Gruppe 2 (Ofloxacin, Ciprofloxacin) und der Gruppe 3 (Levofloxacin) liegen gute Daten vor, die den Einsatz dieser Substanzen meist in Kombination mit Anaerobier-wirksamen Antibiotika rechtfertigen.
In einer kleinen randomisierten Studie bei akuten suppurativen Cholangitiden konnte die Äquipotenz einer Monotherapie mit Ciprofloxacin im Vergleich zu einer Kombinationstherapie mit Metronidazol, Ceftazidim und Ampicillin gezeigt werden.
Die orale Gabe von Ciprofloxacin ist in der Behandlung rezidivierender Cholangitiden untersucht und bietet eine gute Alternative zum Einsatz von Cotrimoxazol oder Inhibitorgeschützten Aminopenicillinen.
Eine randomisierte prospektive Studie bei Patienten mit akuter Cholangitis konnte die Äquipotenz der Therapieregime Levofloxacin versus Ceftriaxon jeweils in Kombination mit Metronidazol belegen. Bei 66 % der Patienten wurde der Erreger nachgewiesen, das Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik zeigte leichte Vorteile hinsichtlich der in vitro Empfindlichkeit für Levofloxacin.
Moxifloxacin besitzt eine breites Wirkspektrum und ist möglicherweise eine interessante Alternative, da auch bei Gallenwegs-Obstruktionen noch ausreichende Konzentration in den Gallenwegen erreicht werden können.
Von den Fluorchinolonen besitzen nur Ofloxacin und Ciprofloxacin die Zulassung in dieser Indikation.

Nitroimidazole/ Aminoglykoside

Metronidazol und Aminoglykoside wurden in Studien als Kombinationspartner insbesondere der Beta-Lactam-Antibiotika eingesetzt. Beide Antibiotika-Gruppen haben die Zulassung für die Behandlung von Infektionen des Bauchraumes, Untersuchungen zur Gewebegängigkeit der Substanzen sind nicht verfügbar. Sie werden vorzugsweise renal ausgeschieden, hohe Konzentrationen in der Galle sind daher nicht zu erwarten. Aufgrund des alkalischen Milieus in der Galle sollten Aminoglykoside eine verminderte Effektivität zeigen.
Nach den vorliegenden klinischen Studien kann eine Wirkung der Aminoglykoside abgeleitet werden. Dennoch werden die Aminoglykoside in dieser Indikation auf Grund der Datenlage nicht empfohlen.
Metronidazol ist als Kombinationspartner der Cephalosporine und Fluorchinolone derzeit etabliert. Zur einer signifikanten Gallengängigkeit liegen nur ältere Daten vor.

Sulfonamide

Bei einer Langzeittherapie rezidivierender Cholangitiden ist Cotrimoxazol die bevorzugte Substanz, auch wenn es für diese Therapie nicht zugelassen ist.

Glykopeptide

Die Datenlage für Glykopeptide und deren klinische Relevanz ist gering. Dennoch waren die Messungen von Teicoplanin Gegenstand einer klinischen Untersuchung an Patienten und sie sollen deshalb im Rahmen dieser Publikation erwähnt werden. Vancomyin wurde nicht geprüft.
Demnach penetriert Teicoplanin gut in die Gallenblasenwand und zeigt ausreichende Konzentrationen in der Galle, weniger gute in den Gallenwegen. Teicoplanin ist nicht bei Infektionen der Galle zugelassen, das Wirkspektrum erlaubt keinen Einsatz zur empirischen Initialtherapie in dieser Indikation.
Eine sinnvollere Alternative bei einer gezielten Therapie grampositiver Infektionen der Galle und der Gallenwege könnte der Einsatz der Oxazolidinone mit deren derzeit einzigem Vertreter Linezolid sein, das sich durch einen sehr gute Gewebegängigkeit auszeichnet, aber ebenfalls für diese Behandlung nicht geprüft und zugelassen ist.

Rifamycine, Lincomycine

Die Rifamycine und Lincomycine haben keine Bedeutung für die Behandlung von Infektionen der Galle, sie sind daher ebenfalls kaum untersucht worden. In älteren Publikationen wurden die Konzentrationen von Rifampicin in der Gallenblase, im Sekret und in der Leber bestimmt. Sie lagen deutlich höher als die Serumspiegel . Von Rifaximin fanden sich dagegen nur sehr niedrige Spiegel in der Gallenblase. Für Clindamycin gibt es Hinweise auf eine ausreichende Penetration in die Galle. Da Clindamycin als Kombinationspartner wegen seiner Anerobier-Wirksamkeit in einigen älteren Studien eingesetzt wurde, kann eine klinische Wirksamkeit abgeleitet werden.

Periinterventionelle und –operative Antibiotika-Prophylaxe

Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums vor einer ERCP ist eingehend untersucht worden. Neben zahlreichen gute angelegten Studien liegt eine Metaanalyse vor. Es konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz von Antibiotika (Cefotaxim, Cefuroxim, Cefazolin, Cefotetan, Piperacillin + Tazobactam) die Inzidenz einer Bakteriämie reduziert werden kann, die eher selten auftretenden Komplikationen wie Sepsis, Wundinfektionen oder Cholangitis können dagegen nicht beeinflusst werden. Der routinemäßige Einsatz von Antibiotika bei Patienten ohne Risikofaktoren kann daher nicht empfohlen werden.
Es gibt Hinweise auf therapeutische Voreile bei ERCP von oral verabreichtem Ciprofloxacin gegenüber parenteralem Cephazolin oder Cefuroxim. Daneben sprechen die geringeren Kosten für die Verabreichung des Fluorchinolons.
Mechanische Vorsichtsmaßnahmen im Rahmen laparoskopischer Eingriffe durch Einführung eines Bergebeutels (bag extraction) tragen ebenfalls nicht zu einer Optimierung bei, wie in einer prospektiven randomisierten Studie gezeigt werden konnte, bei der allerdings komplizierte Gallenblasenentfernungen ausgeschlossen wurden.
Zum perioperativen Einsatz einer Antibiotika-Prophylaxe bei Risikopatienten liegen randomisierte, kontrollierte Studien vor. Risikopatienten profitieren demnach von einer Prophylaxe mit Ceftibuten oder Amoxicillin/Clavulansäure.
Der Vergleich einer Kurzzeittherapie mit intravenösem Ticarcillin versus Ticarcillin initial gefolgt von Amoxicillin/Clavulansäure oral) fiel zu Gunsten der Sequenztherapie aus.
Unabhängige und signifikante Risikofaktoren für infektiöse Komplikationen sind Diabetes mellitus, das Auftreten von Koliken innerhalb von 30 Tagen vor dem Eingriff, lange Operationsdauer, Begleiterkrankungen, akute Cholezystitis und hohes Alter.
Die Antibiotika-Prophylaxe in der offenen Gallenchirurgie wird ebenfalls nur bei Risikopatienten und/ oder Komplikationen empfohlen. Zum Einsatz kommen vor allem Acylaminopenicilline und Aminopenicilline, jeweils in Kombination mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor. In Vergleichsstudien gab es Hinweise auf die Überlegenheit von Ceftibuten gegenüber Amoxicillin/Clavulansäure hinsichtlich Effektivität und Ökonomie.
Cefazolin konnte in einer älteren Studie Wundinfektionen nicht wirkungsvoll vermeiden. In den meisten Studien wurde es allerdings unterdosiert.

Zusammenfassung

Aufgrund des Wirkspektrums (gramnegativ, grampositiv einschließlich Pseudomonaden, Enterokokken, Anaerobier) und der Daten für die gute Gewebegängigkeit sind Inhibitor-geschützte Acylaminopenicilline Mittel der Wahl bei Infektionen der Galle und der Gallenwege.
Alternativ können weitere Therapieregime eingesetzt werden, die sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen haben. Hierbei sollten vor allem Fluorchinolone, Cephalosporine und Carbapeneme berücksichtigt werden.

Eine perioperative Prophylaxe bei ERCP oder Chirurgie der Gallenwege ist nur bei Risikopatienten erforderlich. Mittel der Wahl sind auch hier Inhibitor-geschützte Acylaminopenicilline. Alternativ können Cephalosporine oder Aminopencilline kombiniert mit einem Beta-Lactamase-Inhibitor eingesetzt werden.