Harnwegsinfektionen

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Urologische Infektionen sind meist die Folge aufsteigender, von der Urethra ausgehender Infektionen durch Enterobacteriaceae, insbesondere durch Escherichia coli. Harnwegsinfektionen werden durch eine pathogene Invasion dieser Erreger in den Harntrakt verursacht, die zu einer inflammatorischen Antwort des Urothels führt. Frauen haben dabei wegen ihrer anatomischen Verhältnisse ein höheres Risiko, ebenso wie Patienten mit Urinkathetern oder instrumentellen Eingriffen im Urogenitaltrakt. Urologische Infektionen können jedoch auch durch hämatogene oder lymphogene Ausbreitung entstehen. Die hämatogene Pathogenese ist für die im urologischen Bereich seltener anzutreffenden Erreger Staphylococcus aureus, Candida albicans, Salmonella spp oder Mycobacterium tuberculosis bekannt.Virulenz und Pathogenität der Erreger sind abhängig von erregerspezifischen Faktoren (z. B. Vorhandensein von Pili) und patientenspezifischen Faktoren (z. B. Obstruktionen, Urinkathetern, reduziertem Immunstatus).
Die Anzahl der Bakterien im Untersuchungsmaterial (Urin, Prostatasekret) gilt als wichtiges diagnostisches Kriterium. Die quantitative mikrobiologische Analyse muss jedoch in Abhängigkeit von der Infektion und dem Patienten differenziert erfolgen. Folgende Grenzwerte (cfu = colony forming units) gelten bei Nachweis aus Mittelstrahlurin als signifikant

  • Akute unkomplizierte Zystitis bei Frauen: > 103 cfu/ml
  • Akute unkomplizierte Pyelonephritis bei Frauen: > 104 cfu/ml
  • Komplizierte urologische Infektion bei Männern und Frauen: > 105 cfu/ml


Bei suprabubischer Gewinnung der Urinproben gilt jeder Nachweis von Erregern als relevanter Hinweis auf eine Infektion. Eine asymptomatische Bakteriurie liegt vor, wenn im Mittelstrahlurin aus zwei im Abstand von > 24 Stunden gewonnenen Proben der gleiche uropathogene Erreger mit = 105 cfu/ml nachgewiesen werden kann.

Die Klassifikation der Infektionen des urologischen und männlichen Genitalbereichs erfolgt nach der Lokalisation (Zystitis, Pyelonephritis, Urethritis, Epididymitis, Prostatitis, Orchitis),wobei das Vorhandensein pathogener Erreger zeitgleich auch in den anderen Abschnitten des Urogenitaltrakts möglich ist.
Praxisorientierte Therapieempfehlungen basieren auf der Einteilung nach vorherrschenden Infektionszeichen und berücksichtigen die Schwere eines Verlaufes und vorhandene Risikofaktoren.


Akute unkomplizierte Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen

Bei der akuten Zystitis und akuten Pyelonephritis, die bei sonst gesunden Patienten aufteten, handelt es sich um umkomplizierte Harnwegsinfektionen. Betroffen sind vor allem Frauen ohne strukturelle oder funktionale Veränderungen oder andere Risikofaktoren. Unkomplizierte Harnwegsinfektionen sind sehr häufig. Nahezu 25 bis 35 % der Frauen im Alter von 20 bis 40 Jahren haben mindestens eine Episode vorzuweisen. Eine Abgrenzung zu komplizierten Harnwegsinfektionen ist hinsichtlich der Art und Dauer der Therapieregime, der Diagnostik und der Kontrolluntersuchungen notwendig. Beim Einsetzen der Symptomatik ist diese Abgrenzung nicht in jedem Falle eindeutig durchführbar. Einige Faktoren lassen jedoch auf das Vorliegen einer komplizierten Harnwegsinfektion schließen und können den behandelnden Arzt in seiner Entscheidung zu einer ausgedehnteren Diagnostik und einem umfassenderen Therapieregime unterstützen. Es sind dies:

  • Männliches Geschlecht
  • Ältere Patienten
  • Hospitalinfektionen
  • Schwangerschaft
  • Urinkatheter
  • Kürzlich vorausgegangene Intervention an den Harnwegen
  • Funktionale oder anatomische Veränderungen
  • Kürzlich vorausgegangene Antibiotika-Therapie
  • Dauer der Symptomatik > 7 Tage
  • Diabetes mellitus
  • Immunsuppression

Patienten mit Risikofaktoren und rezidivierende Formen sollten einer entsprechenden Untersuchung unterzogen werden. Das Erregerspektrum unkomplizierter Infektionen des oberen und unteren Harntrakts ist gleich. Zu 70 bis 95 % ist Escherichia coli der pathogene Erreger, in selteneren Fällen Staphylococcus saprophyticus (5 bis 10 %) und gelegentlich andere Enterobacteriaceae wie Proteus mirabilis und Klebsiella spp.

Es liegen differenzierte Empfehlungen zu Therapie und Diagnostik in Abhängigkeit vom Alter, vom Geschlecht und für Schwangere vor. Folgende Patientengruppen werden betrachtet:

  • Akute unkomplizierte Zystitis prämenopausaler, nicht schwangerer Frauen
  • Akute unkomplizierte Pyelonephritis prämenopausaler, nicht schwangerer Frauen
  • Rekurrierende unkomplizierte Harnwegsinfektionen
  • Harnwegsinfektionen in der Schwangerschaft
  • Harnwegsinfektionen postmenopausaler Frauen
  • Akute unkomplizierte Harnwegsinfektionen jüngerer Männer
  • Asymptomatische Bakteriurie

Akute unkomplizierte Zystitis prämenopausaler, nicht schwangerer Frauen

Zu den Symptomen der akuten Zystitis zählen Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen sowie ein ständiger Harndrang. Gelegentlich treten Schmerzen im Unterbauch oder unspezifische Beschwerden und auch Fieber und Schüttelfrost auf, die möglicherweise auf eine komplizierte Harnwegsinfektion hinweisen. Können keine Infektionszeichen festgestellt werden, ist das Vorliegen einer Reizblase möglich, deren Pathogenese kontrovers diskutiert wird. Das Risiko einer akuten Zystitis ist bei Sexualkontakten, Verwendung von Diaphragmen mit Spermiziden, asymptomatischer Bakteriurie, rekurrierenden Harnwegsinfektionen, einer Erstinfektion in frühen Lebensjahren und bei Patientinnen, bei deren Müttern häufig Harnwegsinfektionen auftraten, erhöht. Zur Prophylaxe sollten – soweit möglich– bei häufig auftretenden Infektionen diese Faktoren vermieden werden. Zudem wird eine ausreichende Trinkmenge von zwei Litern pro Tag – falls keine Kontraindikation besteht – und nach Sexualverkehr eine vollständige Entleerung der Blase empfohlen.

Die durchschnittliche Erkrankungsdauer beträgt etwa sechs Tage mit etwa 2,5-tägiger eingeschränkter Aktivität und etwa einem halben Tag Bettruhe. Die Diagnose wird durch körperliche Untersuchung und einer Urinanalyse mit Hilfe von Teststäbchen gestellt. Bei Nachweis von Leukozyten und/oder Nitrit besteht eine Indikation zur Antibiotika-Therapie. Die hohe Sensitivität (93 %) der Labormethode erlaubt eine sichere Diagnosestellung. Etwa 40 %der Patienten haben eine Hämaturie. Eine quantitative und qualitative mikrobiologische Diagnostik ist im Regelfall nicht notwendig und wird nur im Zweifelsfall durchgeführt. Bei einem Nachweis von = 105 cfu/ml Mittelstrahlurin gilt die Diagnose traditionell als gesichert. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass bis zu 50 % der Patientinnen eine geringere Keimzahl aufweisen. Daher wird für die Praxis der Wert von = 103 cfu/ml Mittelstrahlurin als diagnostischer Marker empfohlen.
Bei Nachweis von Leukozyten im Harnsediment ohne Bakteriurie (ohne sonstigen plausiblen Grund), sollte auf Tuberkelbakterien (Uro-Tbc) untersucht werden. Bei Patientinnen mit einem kürzlichen Wechsel des Sexualpartners oder einem Partner mit urethraler Symptomatik ist eine Urethritis mit Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydophila trachomatis als Verursacher wahrscheinlich. Dies erfordert, ebenso wie der Verdacht auf eine Vaginitis, Kolpitis oder Zervizitis, herpetische Ulzerationen oder urologische Komplikationen eine weitergehende Diagnostik. Bei postmenopausalen Frauen sollte gegebenenfalls eine gynäkologische Untersuchung auf eine Uterussenkung erfolgen, die mit einer Restharnbildung einhergehen kann.
Eine unbehandelte Zystitis ist nur in seltenen Fällen der Ausgangsherd für Infektionen der oberen Harnwege und kann spontan ausheilen (50 bis 70 %). Allerdings besteht eine länger dauernde Symptomatik mit eingeschränkter Lebensqualität. Daher sollte bei der Diagnose einer akuten Zystitis ein Antibiotikum verordnet werden. Eine Kurzzeittherapie ist meist kurativ und zeichnet sich durch geringe Kosten, geringe Nebenwirkungsrate und dadurch hohe Compliance aus. In der Regel ist eine Therapiedauer von drei Tagen ausreichend, um die Infektionen komplikationslos auszuheilen. Bei 80 % der Patientinnen ist auch eine Einmalgabe entsprechender Antibiotika wirksam. Eine vollständige Eradikation der Erreger ist dadurch jedoch nicht immer möglich und das Rezidivrisiko erhöht (29 % vs. 13 % nach 5 Wochen).

Die Antibiotika-Therapie kann empirisch erfolgen, wobei die lokale Resistenzsituation zu beachten ist. Die Resistenzlage für den ambulanten Bereich wurde kürzlich im Rahmen einer internationalen Studie (ARESC) untersucht (Naber et. al in Vorbereitung). Dabei wurden in Deutschland etwa 400 Patientinnen im Alter von 18 bis 65 Jahren mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen untersucht, von denen etwa 80 % eine positive Urinkultur (cfu > 104/ml) hatten. Eine Empfindlichkeitsrate für Escherichia coli bzw. das gesamte Erregerspektrum mit > 90 % fand sich in absteigender Reihenfolge nur bei Fosfomycin, Mecillinam (Pivmecillinam in Deutschland nicht mehr im Handel) und Ciprofloxacin. Bei Nitrofurantoin lag die Escherichia coli Empfindlichkeit zwar auch über 90 %, dies war aber nicht mehr der Fall, wenn das gesamte Erregerspektrum in Betracht gezogen wird. Bei Co-trimoxazol lagen die Empfindlichkeitsraten sowohl für Escherichia coli als auch für das gesamte Erregerspektrum deutlich unter 80 %. Aus diesem Grund wird Trimethoprom bzw- Co-trimaoxazol nicht mehr für die empirische Initialtherapie empfohlen.
Fluorchinolone wie Norfloxacin, Enoxacin, Ofloxacin, Ciprofloxacin oder Levofloxacin können als Kurzzeit-Therapeutika (3-Tage-Therapie) eingesetzt werden. Eine Selektion Fluorchinolon-resistenter Erreger wird diskutiert. In einigen Länder ist die Resistenzsituation von Escherichia coli gegenüber Fluorchinolonen jedoch ansteigend und liegt derzeit bereits bei > 10 %. Nicht zuletzt auch deshalb wird die breite Anwendung von Fluorchinolonen zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen von verschiedenen Experten in Frage gestellt.
Als Alternative können orale Beta-Lactam-Antibiotika zur Behandlung der akuten Zystitis eingesetzt werden. Sie sind meist weniger effektiv als Trimethoprim ± Sulfamethoxazol oder die Fluorchinolone. Vergleichende Studien sind jedoch selten. In Frage kommen Amoxicillin/Clavulansäure (nicht als Kurzzeittherapie) oder orale Cephalosporine wie Cefpodoxim-Proxetil (nur dieses Cephalosporin als Kurzzeittherapie über 3 Tage). In der Regel bleiben sie der Behandlung von Harnwegsinfektionen in der Schwangerschaft vorbehalten.

Eine weitere Option bietet der Einsatz von Fosfomycin-Trometamol als Einmaldosis (3 g). Die Eradikationsrate dieses Therapieregimes war gleich oder besser als mit verschiedenen anderen Antibiotika, die ebenfalls als Einzeldosis oder über drei bis sieben Tage gegeben wurden. Trotz des extensiven Einsatzes von Fosfomycin-Trometamol in verschiedenen europäischen Ländern, ist die Resistenzsituation gegenüber Escherichia coli immer noch sehr günstig. Fosfomycin ist eine Substanz, die keinem anderen Antibiotikum ähnlich ist. Kreuzresistenzen kommen daher nicht vor.

Nitrofurantoin in der Dosierung von 4-mal täglich 50 bis 100 mg oder 2- mal täglich 100 mg in der retardierten Form ist in dieser Indikation für die Kurzzeittherapie bis zu drei Tagen nicht geeignet. Eine Therapie über fünf bis sieben Tage ist notwendig ( Empfehlungseinschränkungen zur Therapie siehe unter Nitrofurantoin). Die Resistenzsituation gegenüber Escherichia coli ist günstig, aber lokal unterschiedlich und beispielsweise in Italien innerhalb der letzten zehn Jahre auf das Doppelte angestiegen. Nitrofurantoin ist nicht wirksam gegenüber Proteus mirabilis und Klebsiella spp., die nach Escherichia coli als zweit- und dritthäufigste Erreger der akuten Zystitis berücksichtigt werden müssen. Als Nebenwirkung können insbesondere bei älteren Patienten in der hohen Dosierung schwer verlaufende pulmonale Reaktionen auftreten. Nitrofurantoin kann daher nur als Mittel der zweiten Wahl empfohlen werden.
Die Antibiotika-Therapie sollte zu einer raschen Symptomlinderung führen. Als adjuvante Therapie bei Schmerzsymptomatik kann Phenazopyridin verabfolgt werden. Der Erfolg der Antibiotika-Therapie kann durch Urin-Teststäbchen verifiziert werden.

Bei einem Rezidiv innerhalb von 14 Tagen ist mit einer Persistenz des Erregers zu rechnen. In diesen Fällen ist eine mikrobiologische und weiterführende klinische Diagnostik gegebenenfalls mit Sonographie zu empfehlen. Zur Weiterbehandlung der Reinfektion sollte ein Antibiotikum einer anderen Substanzklasse als in der Initialtherapie eingesetzt werden. Tritt ein Rezidiv nach mehr als 14 Tagen ein, handelt es sich in der Regel um eine Neuinfektion, bei deren Behandlung nicht zwingend das Antibiotikum gewechselt werden muss. Eine weiterführende Diagnostik ist in diesen Fällen ebenfalls nicht erforderlich.

Harnwegsinfektionen postmenopausaler Frauen

Die normale residente vaginale Flora ist ein wirksamer Schutz gegenüber der Besiedlung mit gramnegativen Enterobacteriaceae. Lactobazillen sorgen dabei für einen niedrigen pHWert auf der Vaginalschleimhaut. Ihre Zahl ist bei postmenopausalen Frauen und nach einer Therapie mit Antibiotika reduziert. Estrogenen wird ein protektiver Effekt gegenüber Lactobazillen zugeschrieben. Die orale oder vaginale Estrogensubstitution bei postmenopausalen Frauen vermindert das Risiko einer rekurrierenden Harnwegsinfektion signifikant.
Die Antibiotika-Therapie von Harnwegsinfektionen bei Frauen dieser Altersgruppe und bei prämenopausalen Frauen ist gleich. Allerdings sind die Daten für die Kurzzeittherapie bei postmenopausalen Frauen nicht von ebenso hoher Evidenz.
Bei älteren Frauen mit Harnwegsinfektionen sollte differenzialdiagnostisch ein Tumorleiden, Obstruktionen, unzureichende Detrusorfunktion oder auch genitale Infektionen abgeklärt werden.

Akute unkomplizierte Harnwegsinfektionen jüngerer Männer

Harnwegsinfektionen bei Männern gelten in der Regel als kompliziert und sind assoziiert mit einer Reihe von Risikofaktoren, wie urologische Anomalien, Blasenausgangsobstruktionen oder instrumentelle Eingriffe. Nur Harnwegsinfektionen bei jüngeren Männern ohne diese Risikofaktoren werden als unkompliziert eingestuft. Sie sind extrem selten, wie die in Norwegen ermittelten epidemiologischen Daten zeigen. Dort traten jährlich sechs bis acht Episoden pro 10 000 Männern zwischen 21 und 50 Jahren auf. Die geringere Inzidenz von Männer im Vergleich zu Frauen gleicher Altersgruppe wird auf die größere Entfernung zur Infektionsquelle, längeren Harnröhren, trockenere Umgebung und die antibakterielle Aktivität des Prostastatsekrets zurückgeführt.

Die Ursache unkomplizierter Harnwegsinfektionen jüngerer Männer ohne Risikofaktoren ist nicht vollständig geklärt, doch wird ein Zusammenhang mit Kontakten infizierter Sexualpartner und fehlender Beschneidung angenommen. Mehr als 90 % der Männer mit febrilen Harnwegsinfektionen haben gleichzeitig eine Prostatitis. Untersuchungen haben einen transienten Anstieg des PSA-Spiegel, verändertes Prostatavolumen und eine Empfindlichkeit der Prostata gezeigt.

Die Symptomatik unkomplizierter Harnwegsinfektionen und deren Diagnostik bei Männern und Frauen ist gleich. Bei sexuell aktiven Männern muss eine Urethritis (negatives urethrales Grampräparat, Leukozyten) ausgeschlossen werden. Häufigster Erreger ist auch hier Escherichia coli. Wegen der geringen Anzahl an Erkrankungen gibt es für dieses Patientenkollektiv keine kontrollierten Studien hinsichtlich einer Antibiotika-Therapie. Die Behandlung erfolgt empirisch in Anlehnung an Daten von Patientinnen. Nitrofurantoin sollte jedoch nicht eingesetzt werden, da keine ausreichenden Gewebekonzentrationen erreicht werden. Da bei den meisten Männern mit febrilen Harnwegsinfektionen auch eine Prostatitis mitbehandelt werden muss, sollten sich die ausgewählten Antibiotika durch eine gute Gewebegängigkeit in das Prostatasekret und -gewebe auszeichnen. Hierzu zählen vor allem die Fluorchinolone. Die Behandlungsdauer sollte mindestens sieben Tage betragen, um eine Persistenz der Erreger in der Prostata zu vermeiden und wegen möglicherweise unerkannt gebliebener Risikofaktoren. In der Regel erfolgt die Behandlung über zwei bis vier Wochen. Evidenzbasierte Empfehlungen zur Dauer der Therapie fehlen.

Eine weitergehende urologische Untersuchung ist bei Knaben, rekurrierenden Harnwegsinfektionen und bei Vorliegen von Risikofaktoren notwendig.

Asymptomatische Bakteriurie bei Männern und nicht schwangeren Frauen

Die asymptomatische Bakteriurie ist bei Patienten mit und ohne urologische Anomalien häufig. Nur in sehr seltenen Fällen ist mit dem Vorkommen von Erregern im Urin bei symptomlosem klinischen Befund ein ungünstiger Verlauf verbunden. Nur Schwangere und Patienten mit Traumen im Urogenitalbereich profitieren von einer routinemäßigen Diagnostik und einer Behandlung. Bei folgenden Patientenkollektiven wird kein Screening empfohlen:

• Prä- und postmenopausalen Frauen
• Patienten mit Dauerkathetern
• Diabetikerinnen
• Älteren Patienten in Gemeinschaftseinrichtungen
• Patienten mit Querschnittslähmungen

Das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungenund der Selektion resistenter Erreger überwiegt bei diesen Patienten einen möglichen therapeutischen Nutzen.

Rekurrierende unkomplizierte Harnwegsinfektionen

Eine rekurrierende Harnwegsinfektion wird angenommen, wenn mindestens drei Infektepisoden innerhalb von 12 Monaten bzw. zwei innerhalb von sechs Monaten auftreten. Es besteht ein Zusammenhang von genetischen Faktoren und Lebensgewohnheiten und dem Auftreten von rekurrierenden Harnwegsinfektionen. Ca 20 bis 30 % der Frauen mit Harnwegsinfektionen haben rekurrierende Erkrankungen. Dabei ist das Risiko für die Frauen erhöht, die keine Blutgruppenantigene in andere Körperflüssigkeiten ausscheiden („non secretors“). In den USA haben etwa 20 % der Population diese Eigenschaft.
Risikofaktoren prämenopausaler Frauen für rekurrierende Harnwegsinfektionen sind, wie bei der Zystitis ebenfalls beschrieben, Sexualkontakte, Verwendung von Diaphragmen mit Spermiziden, Erstinfektion in frühen Lebensjahren (< 15 Jahre) und häufige Harnwegsinfektionen in der mütterlichen Anamnese. Escherichia coli, der häufigste urapathogene Erreger, zeigt eine rasche Adhärenz an die Zellen des Epithels bei diesen Patientinnen.
Risikofaktoren, die im Zusammenhang mit postmenopausalen Frauen genannt werden müssen, sind Gebärmuttervorfall, Inkontinenz und Restharnbildung. Der Einfluss weiterer Risikofaktoren muss angenommen werden, ist aber bislang nicht evaluiert.
Rekurrierende Harnwegsinfektionen führen zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und sind assoziiert mit hohen direkten und indirekten Kosten. Die Prävention besitzt daher eine wesentliche Bedeutung. Zu den prophylaktischen Maßnahmen zählt eine länger dauernde Antibiotika- Gabe mit reduzierten Dosen, die zwar effektiv ist (8-fach niedrigere Rate im Vergleich zu Zeiträumen ohne Antibiotika, bzw. 5-fach niedriger in Plazebo-kontrollierten
Studien), für die aber hinsichtlich Art und Umfang keine einheitliche Meinung vorherrscht.
Als Standardtherapie werden derzeit Trimethoprim (100 mg/Tag), Co-trimoxazol (240 mg/Tag) oder Nitrofurantoin (50 mg /Tag) jeweils in der genannten niedrigen Dosierung, Fosfomyin- Trometamol (3 g/alle 10 Tage) oder bei Kontraindikationen bzw. Gravidität auch Cephalexin (125 mg/Tag) bzw. Cefaclor (250 mg/Tag) empfohlen. Bei Durchbruchinfektionen kann auch ein Wechsel auf niedrigdosierte Fluorchinolone wie Ciprofloxacin (125 mg/Tag), Norfloxacin (200–400 mg/Tag) oder Pefloxacin (800 mg/Woche) erfolgen.

Die Dauer der Prophylaxe beträgt mehrere Monate. Adjuvante bzw. alternative Maßnahmen sind die Ansäuerung des Harns, Preiselbeersaft, Extrakte von Bärentraubenblättern (Folia Uvae ursi), vaginale Applikation von Lactobazillen oder eine Immunisation. Sie kann auf oralem Weg mit Hilfe immunaktiver Escherichia coli Fraktionen oder intramuskulär bzw. intravaginal durch thermisch behandelte uropathogene Erreger mit gutem Erfolg durchgeführt werden. Vergleichende Untersuchungen zur Effektivität der Antibiotika-Therapie und der Immuntherapie liegen nicht vor. Doch gibt es Hinweis auf eine Überlegenheit der Antibiotika-Therapie.
Eine verstärkte Diurese durch erhöhte Flüssigkeitszufuhr (falls möglich) ist bei einigen Patientinnen sinnvoll, verzögert aber häufig effektivere Maßnahmen. Empfehlungen zur Umstellung weiterer Lebensgewohnheiten haben keinen hohen Evidenzgrad.

Harnwegsinfektionen in der Schwangerschaft

Harnwegsinfektionen sind in der Schwangerschaft sehr häufig. Dazu zählen die akute Zystitis, die akute Pyelonephritis und die asymptomatische Bakteriurie. Es besteht keine einheitliche Meinung über die Klassifizierung des Schweregrades dieser Infektionen. Da eine bakterielle Infektion der Harnwege einhergeht mit einer höheren Rate an Neugeborenen mit geringerem Geburtsgewicht, vorzeitiger Entbindung und einer neonatalen Mortalität, sollte jedoch immer antibakteriell behandelt werden. Prädisponierende Faktoren sind anatomische und funktionale Veränderungen der Nieren und des Harntrakts während der Schwangerschaft. Dies sind vor allem eine Dilation der Ureteren oberhalb des Beckenrandes und eine oft unvollständige Entleerung der Blase. Zur Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie in der Schwangerschaft liegen unterschiedliche Daten zwischen 4 bis 7 % aus USA, Europa und Australien vor. Die Inzidenz korreliert mit der Häufigkeit von Sexualkontakten und nimmt mit dem Alter und dem Voranschreiten der Schwangerschaft zu. Patientinnen mit einem niedrigen Sozialstatus haben häufiger Harnwegsinfektionen. Symptomatische Infektionen treten in 1 bis 2 % gravider Frauen auf. In den meisten Fällen wurde die Infektionen bereits vor der Schwangerschaft erworben.

Asymptomatische Bakteriurie während der Schwangerschaft

20 bis 40 % gravider Frauen mit asymptomatischer Bakteriurie entwickeln eine Pyelonephritis noch während der Schwangerschaft. Daher sollte bei Schwangeren (insbesondere bei niedrigem Sozialstatus) ein Screening auf eine Bakteriurie erfolgen und bei einem zweifach positiven Nachweis innerhalb von 14 Tagen eine Therapie eingeleitet werden. Die Rate mit falsch positivem Ergebnis bei einer einmaligen Untersuchung liegt bei 40 % und kann deshalb häufig zu einer unnötigen Behandlung führen.
Die Behandlung sollte gezielt nach dem Ergebnis der mikrobiologischen Untersuchung erfolgen. Einige Autoren favorisieren eine Kurzzeittherapie unter Berücksichtigung von Kontraindikationen analog der unkomplizierten Zystitis. Eine Nachuntersuchung sollte innerhalb von ein bis vier Wochen nach der Behandlung erfolgen und mindestens einmal vor der Entbindung wiederholt werden. Zur Dauer der Behandlung liegt eine Cochrane-Analyse vor. Auf der Basis von meist qualitativ weniger hochwertigen Untersuchungen kann allerdings keine Empfehlung zugunsten einer Einmalgabe oder eines 4- bis 7-tägigen Regimes gegeben werden.
Die akute unkomplizierte Zystitis bei Schwangeren präsentiert sich wie Erkrankungen bei nicht schwangeren Patientinnen. In der Regel erfolgt eine Antibiotika-Therapie mit Amoxicillin + BLI, Cephalexin über sieben Tage. Eine Kurzzeittherapie wie bei nicht graviden Frauen wird nur von einigen Experten empfohlen. Hier stehen Fosfomycin-Trometamol (1-mal 3 g) oder ein Cephalosporin der Gruppe 2 oder 3 wie beispielsweise Ceftibuten zur Wahl.
Zur Nachuntersuchung werden Urinkultur-Analysen empfohlen. Bei rekurrierenden Infektionen sollte eine Langzeitprophylaxe mit niedrigen Dosierungen von Cephalexin (125 bis 250 mg/Tag) erfolgen.

Akute unkomplizierte Pyelonephritis während der Schwangerschaft

Die akute Pyelonephritis tritt meist in der späten Phase der Schwangerschaft auf. Die Symptomatik ähnelt der einer Pyelonephritis bei nicht graviden Frauen. Eine Bakteriämie ist häufig, aber Mortalität und Komplikationen bei rechtzeitig eingeleiteter Antibiotika-Therapie eher selten. Die häufigsten Ursachen sind Abnormalitäten im urologischen Bereich. Sie sind assoziiert mit den Risiken Toxämie, Hypertension und Mortalität für Mutter und Fetus.
In den meisten Fällen kann durch die Antibiotika-Therapie die Symptomatik innerhalb weniger Tage gelindert werden. Empfohlene Antibiotika sind Cephalosporine der Gruppe 2 oder 3, Aminopenicilline/BLI oder in parenteraler Form die Aminoglykoside. In einer Cochrane-Analyse konnte kein Vorteil für eine der Substanzgruppen hinsichtlich der Effektivität und der Komplikationsrate abgeleitet werden.
Evidenz-basierte Empfehlungen zur Wahl des Antibiotikums und der Dauer der Therapie sowie Outcome-Analysen fehlen. In Fällen einer verzögerten Entfieberung und Infektionen der oberen Harnwege können ein ureteraler Stent und eine Antibiotika-Prophylaxe bis zur Entbindung einschließlich des Wochenbettes indiziert sein.

Urethritis

Die primäre Urethritis ist eine Infektion der Harnröhre, die vor allem durch Chlamydophila trachomatis, Neisseria gonorrhoe (Gonokokken), Mycoplasma genitalium und Trichomonas vaginalis verursacht wird. Mycoplasma hominis verursacht vermutlich keine Urethritis, Ureaplasma uralyticum nur in selteneren Fällen. Meist ist der Nachweis dieser beiden Erreger auf eine asymptomatische Besiedlung des Urogenitaltrakts zurückzuführen.
Bei der sekundären Urethritis, die vor allem bei der Verwendung von Urinkathetern oder bei Harnleiterstrikturen auftritt, kommen uropathogene Erreger und Staphylokokken vor. Entzündliche Veränderungen können auch nach chemischer oder mechanischer Reizung des urethralen Epithels oder bei verschiedenen Krankheitsbildern wie Morbus Reiter, Wegener oder Behcet vorliegen.
Erreger können extrazellulär auf der oberen Epithelschicht des Urothels verbleiben oder in das Epithel penetrieren (Neisseria gonorrhoe, Chlamydophila trachomatis) und eine fieberhafte Erkrankung verursachen. Eine fortgeleitete aufsteigende Infektion in den Urogenitalbereich (Epididymitis, Zervizitis, Endometritis, Salpingitis) ist möglich.
Aus therapeutischer Sicht wird die Gonokokken- Urethritis von der nicht spezifischen Urethritis unterschieden. Letztere ist in Europa die häufigere Form. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit einer Urethritis und Promiskuität oder einem niedrigen Sozialstatus.
Die Symptomatik ist meist gekennzeichnet durch einen schleichenden Beginn. Oft findet sich bei Frauen gleichzeitig eine Entzündung der Cervix uteri. Bei Frauen, die an einer Urethritis bzw. Kolpitis mit stummer Adnexenbeteiligung leiden, besteht das Risiko von Fertilitätsstörungen. Angaben zur Häufigkeit dieser Komplikationen bei Patientinnen liegen nicht vor. Harnröhreninfektionen können auch asymptomatisch verlaufen.

Zur Diagnostik wird der mikrobiologische Nachweis aus Urin oder einem Abstrich empfohlen. Chlamydien können aus dem Anfangsurin mit Hilfe von PCR oder LCR bei hoher Spezifität und Sensitivität nachgewiesen und Trichomonaden mikroskopisch identifiziert werden. Ein positiver Nachweis von Leukozyten aus Morgenurin ist diagnostisch relevant.

Zur Therapie von Gonokokken-Infektionen stehen Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin, Cefixim oder Ceftriaxon jeweils in der Einmaldosis zur Verfügung. Alternative Therapieregime sehen eine niedrigere Dosierung von Ofloxacin und Levofloxacin sowie Erythromycin über sieben Tage vor.
Da Gonokokken-Infektionen sehr häufig gleichzeitig mit Chlamydien-Infektionen auftreten, sollte möglichst eine Kombinationsbehandlung durchgeführt werden. Zur Behandlung der Chlamydien-Urethritis wird Doxycyclin (2-mal 100 mg) über sieben Tage oder eine Einmaldosis von 1 g Azithromycin empfohlen. Schwangere erhalten Erythromycin oder Azithromycin in Kombination mit Amoxicillin über sieben Tage. Therapieversager weisen auf das Vorkommen von Trichomonas vaginalis und/oder Mykoplasmen hin. In diesen Fällen ist eine Therapie mit Metronidazol (Einmaldosis) in der Kombination mit Erythromycin (7 Tage) indiziert. Sexualpartner müssen mitbehandelt werden.

Pyelonephritis

Die Pyelonephritis ist eine Infektion des Nierenbeckens mit Parenchymbeteiligung, insbesondere des Interstitiums und der Tubuli. Die Klinik zeichnet sich durch hohes Fieber, Schüttelfrost, Flankenschmerz mit klopfschmerzhaften meist einseitigen Nierenlagern, gastrointestinalen Störungen und Symptomen der Zystitis aus. Der Krankheitsverlauf ist in Regel mild bis mittelschwer.
Zur Diagnose sind Laboruntersuchungen des Urins (Leukozyten, Proteinurie, ggf. Erythrozyturie) mit Hilfe eines Schnelltestes und ein Erregernachweis jeweils aus dem Urin erforderlich. In 80 bis 95 % der Fälle können = 105 cfu/ ml Mittelstrahlurin nachgewiesen werden. Als diagnostischer Marker gilt in der Praxis eine Bakterienzahl von = 104 cfu/ml. Zum Ausschluss von Obstruktionen sollte ein Ultraschall durchgeführt werden. Falls die febrile Phase unter der Antibiotika-Therapie mehr als 72 Stunden anhält, sollten zur Differenzialdiagnose einer Urolithiasis, von Abszessen oder anderer Komplikationen weitere bildgebende Verfahren wie CT oder ein Urogramm bzw. DMSA-Scan durchgeführt werden.
Schwangere, Kinder sowie Patienten mit Urolithiasis, unter Umständen auch andere Patienten mit komplizierenden Faktoren, sollten stationär initial mit einem parenteralen Antibiotikum behandelt werden. Eine Sequenztherapie ist möglich. Patienten mit rezidivierender Pyelonephritis sollten einer weiterführenden Diagnostik unterzogen werden. Eine frühzeitig eingeleitete und effektive Antibiotika-Therapie kann einen Nierenschaden mit Parenchymverlust und Narbenbildung verhindern. Nur bei einer unkomplizierten Pyelonephritis ohne schwere Infektionszeichen und ohne Übelkeit und Erbrechen sollte ein orales Antibiotikum eingesetzt werden. Auf Grund der Resistenzsituation in Deutschland (siehe ARESC-Studie) eignet sich zur empirischen Therapie ein Fluorchinolon, z.B. Ciprofloxacin oder Levofloxacin entsprechend Indikation B (hohe Dosierung) über 7 Tage. Co-trimoxazol sollte nur verwendet werde, wenn die Erregerempfindlichkeit bereits bekannt ist.

Für den Einsatz von Aminopenicillinen/ BLI oder Cephalosporinen der Gruppe 2 oder 3 (z. B. Cefpodoxim-Proxetil) liegen sehr wenige Vergleichsstudien mit Fluorchinolonen vor. Die klinische äquivalente Effektivität einer jeweils 10-tägigen Therapie mit Cefpodoxim-Proxetil (2-mal 200 mg) oder Ciprofloxacin (2-mal 500 mg) konnte belegt werden. Beta-Lactam-Antibiotika werden empfohlen, wenn die Resistenzsituation für Fluorchinolone und Co-trimoxazol ungünstig ist oder eine Kontraindikation für den Einsatz dieser Substanzen
besteht.

Eine routinemäßige mikrobiologische Untersuchung nach erfolgreicher Therapie ist nicht notwendig. In der Regel ist der Einsatz von Urinteststreifen ausreichend. Eine weitergehende Diagnostik einschließlich Urinkulturen sollten bei den Patientinnen durchgeführt werden, bei denen nach drei Tagen keine Symptomlinderung erfolgt oder innerhalb von zwei Wochen eine rekurrierende Infektion aufgetreten ist.
Bei Patientinnen ohne urologische Komplikationen wird eine Resistenz des verursachenden Erregers angenommen und die Therapie sollte mit einer anderen Substanz durchgeführt werden. Handelt es sich um eine Reinfektion ist eine 6-wöchige Therapie mit dem ursprünglichen Antibiotikum meist erfolgreich.

Komplizierte Zystitis und komplizierte Pyelonephritis

Eine komplizierte Harnwegsinfektion ist meist assoziiert mit Risikofaktoren wie:

• Restharnbildung > 100 ml
• Obstruktion unterschiedlicher Genese (tumor- oder steinbedingt, neuropathisch u. a.)
• Vesicoureteraler Reflux oder andere funktionale Anomalitäten
• Chemische oder radiologische Verletzung des Urotheliums
• Besonderheiten der Harnwege durch kontinente oder inkontinente Harnableitung nach Zystektomie (z. B. Pouch, othotoper Blasenersatz, Ureteosigmoidostomie)
• Peri- und postoperative Harnwegsinfektionen
• Niereninsuffizienz, Nierentransplantation
• Diabetes mellitus
• Gestörte Immunabwehr
• Dauerkatheter, Stents, Splints, intermittierende Blasenkatheterisierung

Komplizierte Harnwegsinfektionen treten bei Patienten beiderlei Geschlechts und unabhängig vom Alter auf. Der Therapieerfolg ist nicht nur von einer wirksamen Antibiotika-Therapie sondern auch davon abhängig, inwieweit die vorhandenen Risikofaktoren beseitigt werden konnten, beispielsweise durch die Entfernung von Steinen oder Dauerkathetern bzw. durch medikamentöse Maßnahmen, beispielsweise bei der neurogenen Blase. Bei der Erfolgsbeurteilung muss dies berücksichtigt werden.
Zur Diagnose der komplizierten Zystitis sollten eine körperliche Untersuchung, eine ausführliche Anamnese zur Abklärung von Risikofaktoren und eine Laboruntersuchung des Urins stattfinden. Das Anlegen einer mikrobiologischen Kultur wird empfohlen. Bei einer quantitativen Keimzahlbestimmung gelten = 103 cfu/ml im Mittelstrahlurin als Nachweis einer Harnwegsinfektion. Die Urinprobe sollte nach Reinigung der Umgebung (Vulva, Glans penis, Perineum) gewonnen werden um eine Kontamination zu vermeiden. Labien sollten gespreizt und die Vorhaut zurückgezogen werden.

Eine sonographische Untersuchung der Harnwege durch einen Spezialisten ist bei Verdacht auf Restharnbildung, Urolithiasis oder anatomische Fehlbildungen durchzuführen.
Bei komplizierten Harnwegsinfektionen besteht ein Risiko schwerer Verläufe. Insbesondere bei Harnabflussstörungen durch Urolithiasis, aber auch in der Schwangerschaft kann es zur Urosepsis kommen, ebenso bei Kindern oder geriatrischen Patienten mit symptomarmen Pyelonephritiden. Bei Kindern sind Harnwegsinfektionen häufig ein Hinweis auf anatomische oder funktionelle Anomalien. Bei Harnwegsinfektionen mit asymptomatischer Nierenbeteiligung können Parenchymnarben und Niereninsuffizienz entstehen. Bei Patienten über 40 Jahre kann eine persistierende Hämaturie Hinweis auf einen Tumor der Harnwege sein. Komplizierte Harnwegsinfektionen sind nicht immer klinisch auffällig. Zu den Symptomen zählen Dysurie, Harndrang, Flankenschmerz, Fieber, suprapubischer Schmerz. Die Infektion präsentiert sich in variabler Form der Schweregrade.

Das Erregerspektrum komplizierter Harnwegsinfektionen ist sehr viel breiter als das der unkomplizierten Erkrankungen. Die Prävalenz resistenter Erreger ist erhöht, insbesondere bei Harnwegsinfektionen, die im Rahmen von Prozeduren im Urogenitalbereich erworben werden. Enterobacteriaceae sind die häufigsten Erreger (60 bis 75 %) mit Escherichia coli, Proteus spp., Klebsiella spp., Serratia spp. sowie Pseudomonaden, und aus dem grampositiven Bereich auch Enterokokken. Das Erregerspektrum ist abhängig von patientenspezifischen Faktoren und lokalen Gegebenheiten. Bei Patienten mit Harnsteinen dominieren Proteus, Providentia, Morganella Spezies, Corynebacterium uralyticum, aber auch Staphylokokken und Klebsiellen können als gelegentliche Ureasebildner vorkommen. Bei Patienten mit Urinkathetern muss die Bedeutung eines Biofilms beachtet werden. Hier ist eine Antibiotika-Therapie nur innerhalb der ersten Tage effektiv.

Die Behandlungsstrategie orientiert sich an der Schwere der Erkrankung. Soweit möglich sollte primär eine Beseitigung der Ursache, beispielsweise die Entfernung von Urindauerkathetern, und eine Antibiotika-Therapie erfolgen. Oft sind supportive Maßnahmen, eine stationäre Therapie und eine parenterale Antibiotika-Gabe erforderlich. Eine orale Therapie ist bei Patienten mit komplizierter Harnwegsinfektion nur im Einzelfall oder in Form der Sequenztherapie möglich.

Für die empirische Initialtherapie kommen Fluorchinolone mit hoher renaler Elimination, Aminopenicilline/ BLI, Cephalosporine Gruppe 2 oder 3a oder Aminoglykoside in Frage. Bei Versagen der Initialtherapie und in schweren Fällen wird immer parenteral therapiert. Dann sollten auch andere, nämlich auch Pseudomonas-wirksame Antibiotika in Erwägung gezogen werden, beispielsweise Cephaloporine der Gruppe 3b oder 4, Piperacillin/BLI oder Carbapeneme der Gruppe 1.

Die Therapiedauer beträgt 7 bis 14 Tage und im begründeten Einzelfall je nach klinischer Situation auch 21 Tage. Eine eingehende Nachuntersuchung einschließlich einer mikrobiologischen Diagnostik von Urinkulturen nach Therapieende ist erforderlich.