Bissverletzungen

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Bissverletzungen stellen eine Sonderform der Haut- und Weichgewebeverletzungen mit hoher Infektionsgefährdung dar. Die besondere Problematik liegt in der Fehleinschätzung der Gewebszerstörung, der Vielzahl potenzieller Erreger und nicht selten in septischen Komplikationen bei inadäquater Initialtherapie.
Da die Bissverletzung oft bagatellisiert und keiner ärztliche Behandlung zugeführt wird, liegen keine zuverlässigen epidemiologischen Daten vor. Es wird geschätzt, dass in Deutschland jährlich 40.000 Bissverletzungen vorkommen. In der Regel handelt es sich um Hundebisse, seltener treten Bissverletzungen durch Katzen, Pferde, Nager oder Menschen auf.
Der äußerliche Eindruck erlaubt oft nur wenig Aufschluss über Schwere und Ausmaß der Bissverletzung, die Gewebequetschungen und tiefere Gefäßverletzungen beinhalten können. Eine Einteilung der Bissverletzungen in 3 Schweregrade wurde bereist 1967 von Rueff vorgeschlagen:

  • Oberflächliche Hautläsionen, Ritzwunden, Kratzwunden, evtl. Quetschung
  • Tiefere Hautwunden bis zur Faszie, in die Muskulatur oder Knorpelstrukturen
  • Wunde mit Gewebsnekrosen oder Substanzdefekt

Durch eine Quetschung wird Gewebe geschädigt, das somit ein idealer Nährboden für Erreger ist, die beim Biss inokuliert werden. Hierbei ist eine Vielzahl von Erregern (125 Spezies) möglich, wie Talan 1999 in einer prospektiven Studie an 100 Patienten mit infizierten Katzen- oder Hundebissen nachweisen konnte [xx]. Meist handelt es sich um Mischinfektionen, im Durchschnitt ließen sich 5 Erreger pro Patient nachweisen. Zu den häufigsten zählen die gramnegativen Kurzstäbchen Pasteurella multocida, Pasteurella ganis, Pasteurella stomatis, Capnozytophaga canimorsus, Wecksella zoohelium, Eikenella corrodens, Bartonella haensele bei Katzenbissen, Francisella tularensis oder (ohne taxonomische Zuordnung) Spirillum minus bei Rattenbissen. Anaerobier wie Fusobakterien, Porphyromonas, Prevotella, Clostridium perfringens, Propionibakterien oder Bacteroides-Arten sind oft an Mischinfektionen beteiligt. Bei Menschenbissen kommen auch Streptokokken oder Staphylokokken in Betracht.

Die Therapie der Bissverletzung ist abhängig von der Größe und dem Ausmaß des Gewebedefekts. Bei allen Nekrosen ist ein chirurgisches Debridement unerlässlich. Zu den allgemeinen Maßnahmen einer Behandlung gehören eine ausgiebige Spülung und Säuberung der Wunde. Die Tetanusprophylaxe muss überprüft und die Tollwutexposition abgeklärt werden. Eine Indikation zur Tollwutimpfung besteht, wenn die Bissverletzung durch ein Tier erfolgt, das sich in amtlichen ausgewiesenen Tollwutgebiet atypisch verhält.

Empfehlungen zur initialen Antibiotika-Therapie haben keinen hohen Evidenzgrad. In der Regel wird die Therapie mit Amoxicillin/BLI, Sultamicillin oder alternativ Fluorchinolone wie z.B. Moxifloxacin, Cefuroxim-Axetil, Clindamycin oder Doxycyclin eingesetzt. Eine mikrobiologische Untersuchung von Gebeproben bei tieferen Verletzungen ist wünschenswert.